Angestellte Ärzte in Hospizien und Pflegeheimen?
KÖLN (iss). Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung fordert eine Vertragspflicht inklusive Schiedsverfahren, um die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) voranzubringen. "Man muss Ärzte und Krankenkassen dazu zwingen, Verträge abzuschließen, anders wird es nicht gehen", sagt der Geschäftsführende Vorstand der Organisation, Eugen Brysch, der "Ärzte Zeitung".
Der zum 1. April 2007 eingeführte Rechtsanspruch der Versicherten auf SAPV-Leistungen sollte innerhalb von drei Jahren zum Aufbau von flächendeckenden Versorgungsstrukturen führen. Davon ist man aber noch weit entfernt, wie die aktuelle Untersuchung "Im Spannungsfeld zwischen Bedarf und Wirklichkeit - Hospizliche Begleitung und Palliative-Care-Versorgung in Deutschland" der Hospiz Stiftung zeigt. Die Untersuchung erfasst vor allem Daten bis zum Jahr 2009. Die Zahlen für 2010 werden voraussichtlich erst im Juli kommenden Jahres vorliegen, sagt Brysch.
Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass rund zehn Prozent der Sterbenden die Begleitung durch ein SAPV-Team benötigen. Tatsächlich wurden nach einer Hochrechnung der Hospiz Stiftung im laufenden Jahr aber nur knapp 8000 Patienten entsprechend betreut. "Hier ist dringend politisches Handeln gefordert", heißt es in der Studie.
Am gesetzlichen Zwang zum Abschluss von SAPV-Verträgen führt nach Einschätzung von Brysch kein Weg vorbei. Bislang müssten viele Patienten ihren Anspruch nach wie vor bei Gericht einklagen. Sie erhielten dann im Einzelfall von der Krankenkasse die notwendigen finanziellen Mittel für die Versorgung. "Das ist eine unbefriedigende Situation."
Besondere Sorge macht der Organisation die Hospizversorgung von schwerst kranken, demenziell erkrankten Menschen. "Sie sind zurzeit völlig außen vor", beklagt er. Mehr als 700 000 Bewohner von Pflegeheimen hätten grundsätzlich keinen Zugang zur stationären Hospizversorgung, kritisiert er. Ausgerechnet diejenigen, die schon bei der Pflege vernachlässigt würden, hätten keine Chance, palliative Angebote zu erhalten. "Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit." Außerdem konzentriere sich die SAPV zu sehr auf onkologische Patienten. "Was wir brauchen, ist weitaus mehr."
Seiner Meinung nach müssen Hospize und Pflegeheime Ärzte anstellen, damit die Versorgung besser wird. "Ein stationäres Hospiz mit zwölf Betten braucht einen Vollzeitarzt." Das würde nicht nur die Qualität der medizinischen Versorgung erhöhen. Die Ärzte könnten auch viele Schnittstellenprobleme beseitigen, ist Brysch überzeugt.
Nach den Zahlen der Patientenschutzorganisation erhalten in Deutschland jährlich nur etwa 71 000 Menschen eine professionelle Sterbebegleitung, während 500 000 sie benötigen würden. Rund 23 000 Menschen starben 2009 in einem Hospiz, 44 000 wurden auf einer Palliativstation im Krankenhaus behandelt.
Laut der Hospizstiftung erhielten 39 000 Patienten psychosoziale Hilfen durch ehrenamtliche Hospizdienste. Die Politik habe einige Jahre lang geglaubt, dass Ehrenamtliche die Hospiz-Versorgung sicherstellen könnten, sagt Brysch. Jetzt müsse aber allen deutlich werden, dass dies nicht möglich sei. "Die Frage ist, ob es der Politik gelingen wird, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen."
Eine bessere palliativmedizinische, hospizliche und auch pflegerische Versorgung bringt nicht nur den betroffenen Patienten einen hohen Nutzen, ist er überzeugt. "Durch die Vermeidung von Krankenhauseinweisungen und andere Faktoren wird man auch Einspareffekte deutlichen Ausmaßes erzielen", ist er optimistisch.
Quelle: Ärzte Zeitung online, 23.12.2010